Werkstatt

In der Werkstatt geht es mit dem neuen Roman

weiter.

Ab sofort habt ihr wieder die Möglichkeit mit eigenen Ideen an neuesten Detektivgeschichte aus der Lessingserie mitzuwirken.

Ich werde sie, wie immer, in die neue Detektivgeschichte um Leo Lessing einbauen. Viel Spaß beim lesen, mitraten und gewinnen!

 

Detektei Lessing

Band 51

 

Keine Soko für Remlingen

 

1

Es war einer dieser diesigen Morgen, als Stephan Junge zusammen mit zwei Freunden unweit einer Erkundungsbohrungen des Forschungsbergwerks Asse im angrenzenden Waldgebiet Bäume fällte. Er tat dies bereits seit vielen Jahren, obwohl er in seinem Job als Bergmann eigentlich genug gefordert war. Der Groß Vahlberger arbeitete gern im Wald, weil ihm die Natur einen Ausgleich bot und weil sie ihn über ein düsteres Kapitel seines Lebens hinweghalf.

„Baum fällt!“, rief einer seiner Freunde und im nächsten Augenblick kippte der mächtige Baum zur Seite. Auf seinem Weg durch die neben ihm stehenden Buchen zerriss er den feuchten Nebel, der sich hartnäckig in ihren Baumwipfeln hielt. Krachend schlug er auf dem Waldboden auf. Äste brachen wie Streichhölzer, knackten wie dünne Schaschlikspieße. Trockenes Laub und Erdreich wirbelte auf und allerlei Vögel flatterten von Panik getrieben durch die Luft. Es dauerte, ehe der Wald wieder zur Ruhe kam.

Doch die einsetzende Stille wurde jäh durch das laute Knattern einer Kettensäge erneut zerstört. Stephan klappte das Visier seines Helms herunter und setzte die Säge an, um den Stamm von seinen Ästen zu befreien. Er hatte das Schwert gerade angesetzt, als er in dem aufgewühlten Erdreich unter dem Stamm etwas merkwürdiges entdeckte. Er zögerte, schaltete die Kettensäge wieder aus und rief einen seiner Freunde.

„Micha, hast du deine Taschenlampe am Mann?“ „Hast du eine goldene Gans gefunden?“, witzelte sein Feuerwehrkamerad. „Wer weiß“, entgegnete Stephan vage. Nachdem Micha den Lichtkegel seiner Taschenlampe unter den Stamm richtete, erschraken die Männer und wichen zurück. „Ach du Scheiße, ein Toter“, stellte Micha entsetzt fest. „Wer weiß, wie lange der hier schon liegt?“, fasste sich Stephan als erster.

„Hast du dein Handy einstecken?“, fragte er Micha. „Was? Nee, ich glaub nicht.“ „Was steht ihr zwei da herum und haltet Maulaffenpfeil?“, rief ihnen Ralf Kortegast im selben Moment zu. „Hast du dein Handy einstecken?“, wiederholte Stephan seine Frage. „Ja, wieso? Hat sich jemand verletzt?“ „Ruf die Polizei“, entgegnete Micha eindringlich, „...hier unter dem Stamm liegt ein Toter.“ Ralf Kortegast glaubte seinen Freunden nicht und überzeugte sich persönlich. Als er den blanken Schädel sah, reagierte er entsetzt. „Um Himmels Willen.“ Er wandte sich ab, zückte sein Telefon und informierte die Polizei.

Polizeioberkommissarin Kim Haufe und ihr Kollege, Kommissar Arnold Seidel, waren die ersten am Fundort. Die Leiterin der Polizeistation Schöppenstedt war beim Anblick des Schädels nicht weniger schockiert als die Holzfäller. „Wann können wir den Baum weiterbearbeiten?“, fragte Ralf Kortegast. „Solange die Kriminalpolizei und die Spurensicherung den Fundort nicht gesichert haben, bleibt alles, wie es ist“, entgegnete die Oberkommissarin unmissverständlich.

Eine gute Stunde später wimmelte es im Wald von Kriminaltechnikern, Ermittlern des Kommissariats Wolfenbüttel und Mitarbeitern der Rechtsmedizin. Das Gelände um den Fundort war weiträumig mit Trassierband abgesperrt und das THW hielt sich für die Bergung des Baumstamms zu Verfügung.

Stephan Junge und seine Freunde beobachteten das Treiben aus einiger Entfernung. „Was für ein Blödsinn“, schüttelte Micha den Kopf. „Anstatt uns den Stamm abtransportieren zu lassen, lassen die extra das THW anrücken.“ „Weshalb einfach, wenn es auch umständlich geht?“, entgegnete der Bergmann. „Was glaubt ihr, wie lange der Schädel da schon liegt?“, stellte Ralf die Frage, die seine Freunde ebenso beschäftigte.

Der frisch gebackene Hauptkommissar Sinner von der Dienststelle in Wolfenbüttel hörte aufmerksam zu, als ihm der Pathologe einen ersten Eindruck von dem gefundenen Schädel gab. „Diese Stelle ist nicht das eigentliche Grab. Tiere müssen den Schädel ausgegraben und hierher verschleppt haben. Es gibt eindeutige Spuren von Wildfraß.“ Womit Doktor Schnippler auf die besagten Spuren am Schädel deutete.

„Auch das noch“, griff sich Schubert grüblerisch an den Kopf. „Das bedeutet ja, dass sich das Grab ein ganzes Stück weit entfernt befinden kann.“ „Nicht nur das, die Knochenteile könnten über das gesamte Gelände verstreut sein“, sorgte der Pathologe für einen weiteren Schockmoment bei den Ermittlern. „Können Sie denn schon sagen, wie lange der Schädel hier lag?“, hakte Sinner nach. „Sorry, aber ich habe meine Glaskugel nicht dabei“, erwiderte Doktor Schnippler teils beißend, teils ironisch. „Solange ich nicht zumindest den überwiegenden Teil des Skeletts untersuchen kann, ist dies reine Spekulation.“

Kurz darauf suchten alle vor Ort befindlichen Einsatzkräfte mit Suchlanzen und Stöcken den Waldboden nach weiteren Knochenteilen ab. Zur Unterstützung wurden Leichenspürhunde aus dem Harz und aus Hannover angefordert. Eventuell vorhandene Täterspuren gingen bei der Suche verloren. Ein Manko, welches leider in Kauf genommen werden musste, um einen möglichst kompletten Leichnam beerdigen zu können.

„Fund!“, rief einer der Einsatzkräfte, als er seine Lanze ohne großen Widerstand einen halben Meter tief ins Erdreich stechen konnte. Kurz darauf war klar, dass er das eigentliche Grab gefunden hatte. Der Rechtsmediziner und die Mitarbeiter der Spurensicherung legten die Knochen frei, die in dem Erdloch verblieben waren. Anschließend entnahmen sie diese und legten sie auf einen Tisch, der sich in einem Zelt befand, welches vom THW aufgestellt wurde.

„Gibt es, abgesehen vom Leichnam, irgendwelche Gegenstände, die auf die Identität der Person hindeuten könnten?“, erkundigte sich Kommissar Schubert bei Ruprecht Ramsauer. Der Leiter der Spurensicherung reichte ihm zwei Tüten, in denen sich ein Schlüsselbund und ein Damenschuh befanden. „Kein Handy?“ „Sonst noch Wünsche?“ „Wie wäre es mit einem Ausweisdokument?“ „Es gibt noch einige Stoffreste. Mal sehen, ob sich daraus etwas rekonstruieren lässt.“ „Wie lange die Leiche hier ungefähr lag, können Sie wohl noch nicht sagen?“, hakte Oberkommissar Sinner nach. „Vielleicht drei Jahre, vielleicht aber auch zehn“, zuckte Ramsauer mit den Achseln. „Zumindest dürfte es sich um eine Frau handeln.“

„Das kann ich bestätigen“, gesellte sich Doktor Schnippler dazu. „Das Becken unseres Skeletts ist eindeutig weiblich. Nicht älter als zwanzig Jahre, würde ich zum jetzigen Zeitpunkt einschätzen. Genaueres wie immer erst nach der Obduktion.“ „Natürlich“, nickten ihm die Ermittler zu. Da die Kommissare an dieser Stelle nichts mehr tun konnten, kehrten sie mit den Fundstücken ins Kommissariat zurück, um alle Vermisstenfälle der letzten Jahre zu einer ersten Bestandsaufnahme unter die Lupe zu nehmen.

Nach und nach wurde klar, welche Knochenteile fehlten. Somit ging die Suche weiter. Immer wieder gellte der gleiche Ruf durch den Wald. „Fund!“ Immer wieder begaben sich die Leute der Spurensicherung an den Fundort, sicherten und dokumentierten mit Fotos, trugen das Gebein in eine Übersichtskarte des Waldstücks ein und brachten es zu Doktor Schnippler ins Zelt. Somit komplettierte sich das Skelett bis zum Abend fast vollständig.

Als das Tageslicht mehr und mehr der Dunkelheit der Nacht weichen musste, wurde die Suche bis auf Weiteres eingestellt und der Leichnam in das Rechtsmedizinische Institut nach Braunschweig gebracht. Doktor Schnippler wandte die neuesten Verfahren zur Bestimmung des Alters und zur Ermittlung der Verweildauer des Körpers und somit zur Bestimmung des wahrscheinlichen Todeszeitpunkts und der Ursache an. Letztlich bestätigten sich seine ersten Aussagen zum Geschlecht und zum Alter. Da der Unterkiefer immer noch fehlte, konnte nicht das komplette Gebiss fotografiert werden. Dies erschwerte die Identifizierung der Toten zusätzlich.

 

Fortsetzung vom 06.04.24

 

2

„Hast du eine Ahnung, wie viele Frauen in den letzten zehn Jahre in Niedersachsen als vermisst gemeldet wurden?“, stöhnte Kommissar Schubert. „Hundert?“, schätzte Sinner nachdenklich. Sein Kollege schüttelte den Kopf. „Da kannst du noch eine Null dranhängen.“ „Oh je, dann solltest du wohl besser einige Filter in die Suche eingeben. Ich denke auch, dass du dich erst einmal auf die Landkreise Wolfenbüttel, Helmstedt und Salzgitter beschränken solltest. Laut Rechtsmedizin war die Frau etwa zwanzig.“ „Gut, dass wird die Anzahl sicherlich schon verkleinern. Vielleicht könnte ich zusätzlich noch einige Details eingeben. Die Spusi fand mehrere blonde Haare und den Metallknopf einer Jeans, der nur von einem Markenhersteller verwendet wird.“ „Probier´s aus, vielleicht bringt´s was“, ermutigte ihn sein Kollege.

„Ich sehe mir inzwischen die Auswertung des Schlüsselbunds genauer an“, bemerkte Sinner. Die KTU hatte keinerlei Fingerabdrücke oder DNS-Material daran sicherstellen können. Feuchtigkeit im Erdreich und die Zeit hatten ganze Arbeit geleistet. Der zum Bund gehörende Bartschlüssel wurde einem einfachen Schloss ohne Zylinder zugeordnet, wie sie überwiegend für Zimmertüren verwendet wird. Der ebenfalls daran befindliche Sicherheitsschlüssel passte laut Bericht zu einer Wohnungs- oder Haustür. Ein weiterer kleiner Schlüssel wurde offenbar für ein Fahrradschloss oder ähnlichen verwendet. Die größte Aussicht auf Erfolg versprach allerdings ein kleiner Buddah-Anhänger aus Messing.

„Oh, die Filter haben es gebracht“, atmete der Kommissar auf. „Jetzt sind es nur noch drei Fälle, die in Frage kämen. Eine Vermisstenanzeige wurde von einer Frau aus Remlingen gestellt“, las Schubert vom Monitor seines Computers ab. „Das klingt ja schon mal recht vielversprechend. „Wie heißt die Frau?“ „Regina Schneider, ‚Siehenweg‘ Nummer 6“, ergänzte er. „Dann würde ich sagen, dass wir bei Frau Schneider anfangen“, schlug Sinner vor. „Vielleicht solltest du uns telefonisch ankündigen. Nicht das wir am Ende vor der Tür stehen und Frau Schneider wohnt gar nicht mehr dort.“

Eine halbe Stunde später saßen die Kommissare im Wohnzimmer der Reinigungskraft. „Haben Sie inzwischen etwas von Ihrer Tochter gehört?“, erkundigte sich der Hauptkommissar. „Weder von Marina noch von der Polizei“, reagierte sie vorwurfsvoll. „Nicht mal ein halbes Jahr, nachdem sie verschwunden war, wurde der Fall doch schon zu den Akten gelegt. Ein Kollege von Ihnen war hier und sagte, Marina hätte sicherlich einen Grund gehabt, weshalb sie von zuhause abhaute.“ „Das hätte er nicht sagen dürfen“, schüttelte Sinner mit dem Kopf. „Wer weiß, vielleicht hatte er ja Recht?“

Regina Schneider liefen die Tränen über das Gesicht. „Aber Sie kommen doch nicht einfach nur, um sich nach meiner Tochter zu erkundigen. Sie haben Marina gefunden“, schlussfolgerte sie. „Sie ist tot, stimmts?“ „Wir haben tatsächlich eine Leiche gefunden, aber wir können noch nicht sagen, ob es sich um Ihre Tochter handelt“, seufzte Schubert, während er ihr gleichzeitig ein kleines Tütchen mit dem Schlüsselbund reichte. Frau Schneider sah auf den Beutel und presste ihn sich auf die Brust. „Ich habe es von Anfang an geahnt. Weshalb hätte sie weglaufen sollen? Sie hatte es doch gut bei mir.“

„In der Vermisstenanzeige gaben Sie an, dass Ihre Tochter bei ihrem Verschwinden eine Jeans trug. Können Sie sich noch an die Marke erinnern?“ „Natürlich“, nickte sie schniefend. „Miss Sixty. Sie hatte wochenlang auf die Hose gespart. Ich konnte ihr keine so teure Jeans kaufen, deshalb haben wir zusammengeschmissen. Marina war ja noch in der Ausbildung zur Altenpflegerin. Damals wurde noch nicht so gut gezahlt.“

„Es tut uns sehr leid, Frau Schneider, aber Ihre Tochter muss bereits kurze Zeit nach ihrem Verschwinden ums Leben gekommen sein“, blieb der Hauptkommissar vage. „Kann ich sie sehen? Wie ist sie gestorben? Wurde sie umgebracht?“ „Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen und der körperliche Zustand Ihrer Tochter lässt es leider nicht zu, dass Sie in der üblichen Weise von ihr Abschied nehmen, aber wie kommen Sie darauf, dass Marina einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sein könnte?“

Die relativ gefasst wirkende Frau erhob sich und verließ für einen Moment den Raum, um kurz darauf mit einem gerahmten Foto ihrer Tochter zurückzukehren. „Sie war so hübsch. Die Kerle standen Schlange bei ihr“, erklärte sie nicht ohne Stolz. „So etwas weckt Begehrlichkeiten. Können Sie sagen, ob sie...“ Sie stockte. „Nein, das lässt sich leider nicht mehr feststellen“, erkannte Sinner, worauf die Mutter des Opfers hinauswollte.

„Ich muss Marinas Vater informieren“, fiel ihr ein. „Wir waren damals bereits drei Jahre geschieden.“ „Ich verstehe. Während Sie ihren Mädchennamen wieder annahmen, behielt Marina den Namen ihres Vaters?“, fragte Schubert. „Nein, mein Ex heißt Junge.“ Die Kommissare sahen sich grüblerisch an. „Manfred Junge?“, hakte Sinner nach. „Ja genau“, stimmte frau Schneider zu. „Wir lasen den Namen ihres geschiedenen Mannes bereits auf der Anzeige“, erklärte der Hauptkommissar. „Kann es sein, dass er inzwischen in Groß Vahlberg lebt?“ Die Stirn von Regina Schneider legte sich in Falten. „Ja, er zog damals zu seiner Affäre. Wieso fragen Sie das alles?“

„Wir möchten Sie bitten, sich vorerst nicht mit Herrn Junge in Verbindung zu setzen“, vermied es Sinner, eine direkte Antwort auf ihre Frage zu geben. „Wir möchten zunächst selber mit Ihrem Exmann sprechen.“ „Also gut, wenn es Ihnen wichtig ist“, zuckte Regina Schneider mit den Schultern. „Wir würden morgen gern noch einmal bei Ihnen vorbeikommen. Es gibt viele weitere Fragen und bis dahin sicherlich auch Antworten für Sie“, stellte Sinner in Aussicht. „Ab Mittag bin ich daheim“, entgegnete die Reinigungskraft.

„Sie kommen allein zurecht?“, erkundigte sich der Kommissar. „Wie gesagt, ich habe Marinas Tod schon seit Jahren erahnt. Dennoch war da eine Hoffnung, die mich fast um den Verstand brachte. Nun habe ich die Gewissheit und komme endlich zur Ruhe, weil ich abschließen kann. Wenn ich Marina nun beerdigen kann, habe ich wenigstens einen Ort, wo ich um sie trauern kann.“ „Ich denke, ich weiß, was Sie meinen“, pflichtete ihr Schubert bei. Er zog seine Visitenkarte aus der Jacketttasche und reichte sie ihr. „Nur für den Fall, dass Sie Fragen haben...“ Die tapfere Frau nickte den Ermittlern zu und brachte sie zur Wohnungstür. „Dann bis morgen.“

„Ich weiß gar nicht, wie wir dem Mann beibringen sollen, dass er den Schädel seiner eigenen Tochter gefunden hat“, rieb sich Sinner nachdenklich den Nacken. „Ich bin da raus“, bemerkte Schubert unmissverständlich. „Das kriege ich nicht hin.“ „Hatte die Kollegin Haufe aus Schöppenstedt die Telefonnummer von Herrn Junge aufgenommen?“ „Ich habe sie schon gegoogelt. Soll ich gleich...?“ „Ja mach“, schien Sinner froh, dass ihm der Anruf erspart blieb.

„Seine Frau war am Apparat“, berichtete Schubert. „Er ist auf Arbeit.“ „Gut, dann fahren wir eben dorthin.“ Der Kommissar sah seinen Chef überrascht an. „Du willst es ihm bei der Arbeit sagen?“ „Wir sollten nicht solange warten, bis er es von anderer Seite hört.“ „Wer außer seiner Ex sollte es ihm sagen?“ „Eben. Weißt du, ob sie ihm letztlich nicht doch die Schuld am Verschwinden der gemeinsamen Tochter gibt?“

 

Fortsetzung vom 13.04.24

 

3

„Die Kommissare Schubert und Sinner von der Wolfenbütteler Kriminalpolizei“, stellte der Ermittler sich und seinen Kollegen vor. Die junge Frau hinter der Glasscheibe bat um die Ausweise der Besucher. „Wie ich im Computer sehe, sind Sie nicht für heute angemeldet.“ „Unser Besuch ist einem aktuellen Fall geschuldet. Wir müssen Herrn Manfred Junge in diesem Zusammenhang dringend sprechen.“ „Gut, ich will sehen, was sich machen lässt. Da Herr Junge unter Tage arbeitet, wird es allerdings eine Weile dauern, ehe er mit Ihnen sprechen kann. In der Zwischenzeit werden meine Kollegen eine Leibesvisitation bei Ihnen durchführen.“

Auch wenn dieses Prozedere für die Kommissare eher ungewöhnlich war, ließen sie die Kontrolle über sich ergehen. Zumindest waren sie zuvor weitsichtig genug, ihre Dienstwaffe im Wagen zu lassen. „Der Betriebsleiter wird Sie empfangen“, erklärte einer der Sicherheitsmitarbeiter. Mit demselben Atemzug meldete sich die junge Frau hinter dem Sicherheitsglas mit der Rückgabe ihrer Ausweise und einer Besucherkarte. „Heften Sie sich die Legimitationen bitte gut sichtbar an Ihre Garderobe.“

„Um Ihren Eingang auf das Gelände in unser System zu dokumentieren, halten Sie die Karten bitte kurz an den Scanner neben der Tür“, bat der Mitarbeiter der Security, während er den beiden Ermittlern die Pforte aufhielt. Der Betriebsleiter erwartete die Kommissare oberhalb einer Treppe, die in ein Backsteingebäude führte. Die Männer begrüßten sich auf dem Flur des Gebäudes. „Sie wollen also mit Manfred Junge sprechen“, begann der Betriebsleiter das Gespräch, kaum dass er die Tür zu seinem Büro hinter sich geschlossen hatte. „Er wird gleich hier sein. Wenn Sie solange Platz nehmen wollen?“

„Sie betreiben einen hohen Sicherheitsstandart“, bemerkte der Hauptkommissar. „Ist denn ein solcher Aufwand nötig?“ „Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, handelt es sich bei diesem Bergwerk um eine atomrechtliche Anlage und als solche unterliegen wir sicherheitstechnischen Vorgaben.“ „Stimmt, da war ja was“, entgegnete Schubert. „Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit Sie Herrn Junge sprechen möchten?“ „Da sollten Sie ihren Mitarbeiter selber fragen“, hielt sich Sinner bedeckt. „Aber ich kann Sie insofern beruhigen, dass gegen Herrn Junge nichts vorliegt.“

„Hat es mit dem Leichenfund in der Nähe unseres Bohrplatzes zu tun?“ „Sie wissen also bereits davon“, zeigte sich Sinner überrascht. „Was wäre ich für ein Betriebsleiter, wenn ich nicht wüsste, was in meiner Nachbarschaft passiert?“ „Dann ist Ihnen bestimmt nicht entgangen, dass Herr Junge den Leichnam bei Baumfällarbeiten entdeckte“, suggerierte der Hauptkommissar. „Schrecklich so ein Anblick. Ich bekäme sicherlich nächtelang kein Auge zu“, schauerte es den kräftigen Mann mit dem grauen Haar.

Zeitgleich klopfte es an der Tür. „Herein!“ Die Männer erhoben sich, um den Bergmann zu begrüßen. „Guten Tag, Herr Junge. Es tut mir leid, Sie hier überfallen zu müssen, aber es haben sich einige Neuigkeiten ergeben, die dieses Gespräch nötig machen“, erklärte Sinner. „Dann werde ich Ihnen jetzt so lange mein Büro überlassen.“ „Das wird nicht nötig sein“, widersprach der Bergmann. „Es gibt nichts, was mein Chef nicht hören dürfte.“ „Es könnte sehr persönlich werden“, gab Schubert zu bedenken.

„Ich habe ohnehin noch etwas wichtiges zu erledigen“, ließ sich der Betriebsleiter nicht mehr aufhalten. „Meine Sekretärin bringt Ihnen einen Kaffee.“ Im nächsten Moment verließ er sein Büro. „Setzen wir uns“, schlug Sinner vor und nahm wieder in der kleinen Sitzecke Platz. „Wieso persönlich?“, erinnerte sich Junge an die Worte des Hauptkommissars. „Wir können inzwischen zweifelsfrei davon ausgehen, dass es sich bei dem gefundenen Leichnam um Ihre vor fünf Jahren verschwundene Tochter handelt“, erklärte Sinner.

Die Ermittler ließen Manfred Junge die Zeit, die nötig war, um das Gehörte zu verarbeiten. „Ich muss meine geschiedene Frau anrufen“, reagierte er fahrig, während er sein Handy hervorholte. „Wir waren zunächst bei Ihrer Frau, weil sie damals die Vermisstenanzeige erstattete“, hielt ihn Sinner zurück. „Sie weiß also Bescheid“, bemühte sich der Vater der Toten seinen Emotionen eine Struktur zu geben. „Sie hatte also von Anfang an Recht“, stöhnte er aufgeregt die Hände vor sein Gesicht haltend.

„Woher wissen Sie, dass es Marina ist? Das kann doch jeder sein“, suchte er nach einem Ausweg, die schreckliche Wahrheit nicht akzeptieren zu müssen. „Ihre Frau konnte das im Grab gefundene Schlüsselbund eindeutig identifizieren“, sorgte Schubert für Klarheit, während er ihm die Tüte mit dem besagten Bund reichte. „Ja, das sind ihre Schlüssel“, räumte er letztlich ein. „Den Buddha-Anhänger bekam sie mal von mir zu Ostern.“ Er versuchte sich zusammenzunehmen, holte tief Luft, um sie immer wieder geräuschvoll aus den Wangen zu pressen.

Die Sekretärin trug das Tablett mit dem Kaffee im richtigen Moment herein. Als sie Manfred Junge ins Gesicht sah, bemerkte sie, wie aufgewühlt er war. Sie legte ihre Hand tröstend auf seine Schulter. „Kann ich etwas für dich tun? Soll ich Carmen anrufen?“ „Nee lass mal“, ich komme klar.“ „Haben Sie vielen Dank, wir bedienen uns selbst“, komplimentierte Sinner die Sekretärin hinaus.

„Ich hätte sie damals zu mir nehmen müssen“, seufzte der Bergmann. „Regina war mit ihr völlig überfordert. Marina machte ja nur noch, was sie wollte.“ „Ihre Tochter war volljährig“, gab Sinner zu bedenken. „Junge Leute lassen sich dann nur ungern etwas sagen.“ „Es gab zwei Diebstähle, für die sie Sozialstunden bekam und dann war da ja noch die Sache mit dem Kiffen“, erzählte er den Beamten. „Das Jugendamt hat damals eine Akte über Marina angelegt. Sie hätte sich nur noch eine Kleinigkeit leisten müssen und sie wäre ins Heim gekommen.“ „Wie alt war sie da?“, hakte Schubert nach. „Es begann mit der Scheidung, also sechzehn und hörte erst mit dem Beginn der Lehre zur Altenpflegerin auf. Ich weiß bis heute nicht, weshalb sie sich ausgerechnet für diesen Beruf entschied, aber wir waren ja froh, dass sie sich gefangen hatte.“

„Kennen Sie die damaligen Freunde Ihrer Tochter? Wissen Sie, mit wem sie Kontakt hatte?“ „Wieso fragen Sie das alles? War es denn kein Unfall?“, merkte Manfred Junge auf. „Bislang liegt uns noch kein Obduktionsergebnis vor. Wir wollen lediglich herausfinden, was am Abend ihres Verschwindens geschah.“ „Nach dem, was mir meine Ex erzählte, bekam Marina einen Anruf, bevor sie die Wohnung in Remlingen verließ.“ „Sie wissen nicht, wer der Anrufer war?“, setzte Schubert nach. „Leider nicht, aber wir haben damals all ihre Freundinnen abtelefoniert. Da wusste keine was, oder die stellten sich nur unwissend.“

„Die Namen dieser Freundinnen sind Ihnen wohl nicht mehr geläufig?“, erkundigte sich Schubert. „Da muss ich leider passen, aber meine Ex kann Ihnen da sicher weiterhelfen. Sie ließ Marinas Zimmer genauso, wie sie es am Tag ihres Verschwindens zurückgelassen hat.“ „Falls uns bis morgen das Obduktionsergebnis vorliegt und sich daraus der Anlass für weitere Ermittlungen ergeben sollte, werden wir Frau Schneider noch einmal aufsuchen“, erklärte der Hauptkommissar. „Wir werden uns aber in jedem Fall bei Ihnen melden.“

Die Männer erhoben sich. „Ich frage mich die ganze Zeit, weshalb sich Marina an dieser Stelle aufgehalten haben soll. Wenn es tatsächlich ein Unfall war, muss doch jemand bei ihr gewesen sein, der sie dort einfach so zurückließ. Wer auch immer sie dort liegen ließ, trägt die Verantwortung für den Tod meiner Tochter.“ „Wir werden die Wahrheit ans Licht bringen“, versprach Sinner. „Ich danke Ihnen“, nickte Manfred Junge.

 

Fortsetzung vom 20.04.24

 

4

„Wie Sie hier deutlich sehen können, gibt es etwas seitlich zum Hinterkopf diese feine Bruchlinie.“ Doktor Schnippler deutete auf eine schwarze Linie, die auf dem beleuchteten Röntgenbild gut zu sehen war. „Es dürfte sich um die Folge eines Sturzes oder heftigen Schlages handeln.“ „Gibt es weitere Spuren von Gewaltanwendung?“, fragte Schubert nach. „Bis jetzt nicht, aber es wurden ja auch noch nicht alle Knochen gefunden, um dies ausschließen zu können.“ „Was ist mit den Kleidungsresten, die im Grab lagen?“, erinnerte sich der Ermittler. „Ließ sich darauf etwas finden?“ „Nach so langer Zeit im Erdreich war da nichts mehr zu machen, aber dafür fand ich in der Schädelwunde einen Holzsplitter.“

Hauptkommissar Sinner sah den Rechtsmediziner irritiert an. „Wieso ist der nicht verrottet?“ „Weil er aus Lärche ist. Genauer gesagt, aus sibirischer Lärche. Die hat einen besonders hohen Harzgehalt und ist darum sehr witterungsbeständig.“ „Dann hilft uns das auch nicht sonderlich weiter“, räumte Schubert enttäuscht ein. „Den Splitter kann sie sich ja dann quasi überall in der Asse eingefangen haben.“ „Eben nicht“, widersprach der Pathologe. „Die sibirische Lärche wächst nicht in der Asse. Man verwendet dieses Holz gern für Bauten in der Natur.“ „Also für Grillplätze, Hochsitze oder Waldhütten“, überlegte Sinner. „Genau.“

„Vielleicht hat die junge Frau ja mit Freunden irgendwo im Wald gefeiert“, mutmaßte Doktor Schnippler. „Dann suchen wir jetzt nach einer Hütte oder irgendetwas in der Art?“, folgerte der Kommissar. „Moment mal“, griff sich Sinner an den Kopf. „War da auf der Straße zwischen dem Asseschacht und Groß Vahlberg nicht links vor der Kurve ein Zauntor?“ Schuberts Unterlippe wölbte sich nach vorn. „Also mir viel da nichts Besonderes auf, aber wir sind ja nachher sowieso in Remlingen. Da können wir ja mal genauer hinsehen.“

„Solange ich die restlichen Knochen nicht habe und auswerten kann, können Sie sich die Frage nach einem gewaltsamen Tod sparen, meine Herren“, kam der Rechtsmediziner den Ermittlern zuvor. „Woher...?“ „Herr Sinner, ich bitte Sie“, reagierte der Mediziner gedehnt. „Wie lange kennen wir uns jetzt?“ „Zumindest haben wir wahrscheinlich ein Tod durch Unterlassen“, resümierte Schubert. „Ob das der Staatsanwältin ausreicht, um in dem Fall weiter zu ermitteln, ist fraglich.“ „Noch besteht die Hoffnung, dass die Spurensicherung die fehlenden Knochen findet“, machte Doktor Schnippler den Kommissaren Mut.

Auf dem Weg vom rechtsmedizinischen Institut nach Remlingen durchquerten die Ermittler die Asse. „Geh vom Gas, hier irgendwo muss es gewesen sein“, bat Sinner seinen Kollegen. Gleich hinter einer Rechtskurve, führte ein Waldweg in einem spitzen Winkel einige Meter bergab. „Da ist es!“, rief der Hauptkommissar enthusiastisch. „Na sag ich doch.“ „Hoffentlich kommen wir da nachher auch wieder rauf“, unkte sein Kollege. „Jetzt fahr erst mal runter“, forderte ihn Sinner auf. „Wir können den Wagen ja wohl schlecht an dieser Stelle auf der Straße parken.“

Kurz darauf entdeckten sie eine Hütte und gleich daneben einen kleinen Tümpel, der von der Straße aus nicht zu sehen war. Schubert rüttelte an dem Schloss, mit dem beide Enden einer Stahlkette zusammengehalten wurden. „Was nun?“, fragte er, als er bemerkte, dass sich der Bügel nicht öffnen ließ. „Während du zum Wagen zurückgehst und in der Zentrale nachfragst, wem das Grundstück gehört, sehe ich mich mal nach einem weiteren Eingang um“, trug Sinner seinem Kollegen auf.

Eigentlich wollte er den zuweilen etwas zu regelkonformen Kommissar nur für einen Moment loswerden. Sinner war sich sicher, irgendwo eine Schwachstelle im Zaun zu finden. Er brauchte nur wenige Schritte in Richtung Weiher gehen, bis er auf eine passende Stelle stieß. „Na also, das Loch ist doch wie für mich gemacht“, flüsterte er sich selber zu und schlüpfte durch die Drahtmaschen auf das fremde Grundstück.

Der Hauptkommissar ging am Ufer entlang der kleinen Holzhütte entgegen. Wie friedlich es hier ist, dachte er beim Blick über das Wasser. „Tim!“, zerriss die grelle Stimme seines Kollegen plötzlich die Idylle. „Hier!“, antwortete er. „Ich will nur kurz einen Blick in die Hütte werfen.“ „Das Grundstück gehört einem Max Bredtklopfer. Ich habe bereits mit seiner Tochter in Salzgitter telefoniert. Ihr Vater ist schon seit einigen Jahren tot. Seitdem werden der Teich und die Hütte von ein paar Anglern genutzt, die in dem Teich Forellen züchten.“

Die Kommissare standen sich inzwischen an der Einfahrt zum Grundstück gegenüber. Nur getrennt durch den Maschendrahtzaun und ihre Ideologie. „Ich nehme an, du hast deine Taschenlampe dabei?“, erkundigte sich Sinner. Die Leuchte wechselte auf die andere Seite des Tores. „Ich bin gleich wieder da“, beruhigte er Schubert und ging.

Der Lichtkegel der kleinen Handlampe suchte sich seinen Weg durch die verdreckten Fensterscheiben in das Innere der Hütte. Der Hauptkommissar sah in der Mitte des einzigen Raumes einen Tisch, um den vier Stühle gruppiert waren. Seitlich entdeckte er eine Couch und auf der gegenüberliegenden Seite eine alte Kommode. Über allem lag eine dicke Staubschicht, die darauf schließen ließ, dass die Hütte schon seit längerem nicht mehr genutzt wurde.

Da der Ermittler keine Ahnung hatte, welche Maserung das Holz der sibirischen Lärche aufwies und welche Farbe es hatte, machte er einige Fotos. Als er die Hütte umrundete stieß er auf eine Fensterklappe, die seiner Auffassung nach aus demselben Holz gefertigt war. Er konfiszierte sie kurzer Hand und nahm sie mit.

„Was hast du denn da?“, erkundigte sich Schubert, als ihm der Hauptkommissar das Konstrukt über den Zaun reichte. „Ich hoffe, sibirische Lärche.“ „Das sieht eher nach Buche aus“, überraschte ihn Schubert. „Woher willst du denn das wissen?“ „Mein Vater ist Tischler, da bekommt man so etwas quasi mit in die Wiege gelegt.“ Sinner schüttelte den Kopf. „Wieso sehe ich mir dann die Hütte an?“ „Weil du schon immer diesen gewissen Bewegungsdrang in dir hattest.“ „So, so, ist das so?

Um auf dem schmalen und stark ansteigenden Waldweg nicht stecken zu bleiben, begab sich Schubert an die Stelle, wo der Weg in die Straße mündete. Unterdessen quetschte sich Sinner durch das schmale Loch im Zaun und stieg in den Dienstwagen. Als ihm der Kollege eine freie Straße signalisierte, legte er den Rückwärtsgang ein und gab Gas. An der geteerten Kante der Straßendecke knirschte es kurz, als das Endrohr des Auspuffs dagegen schlug. Sinner riss das Lenkrad herum und ging in die Bremse. Das Horn eines LKWs, der aus Richtung Groß Vahlberg um die Kurve donnerte, dröhnte bedrohlich durch den Wald. Der Ermittler warf den Gang ein und ergriff mit quietschenden Reifen die Flucht.

Mindestens einhundert Meter weiter, kurz hinter der Bergkuppe, dort, wo auf der linken Seite ein Weg zum Bohrplatz hinaufführte, gab es eine Möglichkeit, den Wagen anzuhalten. „Wie war das doch gleich mit dem Bewegungsdrang“, lachte Sinner, als sich sein Kollege schnaufend auf dem Beifahrersitz niederließ. „Ich glaube, ich fahre jetzt wieder häufiger selbst“, setzte er feixend noch einen drauf.

„Die Fensterklappe hast du doch vorhin in den Kofferraum gelegt, oder?“ Schubert stöhnte. „Ich fürchte, die lehnt noch am Tor.“ Sinner sah seinen Kollegen durchdringend an. „Kann es sein, dass du mich gerade veräppelst?“ Schubert verzog das Gesicht. „Ich fürchte, du hast mich erwischt.“ „Ganz ehrlich, deine Witze waren auch schon mal besser, aber wo wir gerade hier sind, könnten wir die Klappe gleich bei der Spusi abgeben. Die sind noch immer oben am Fundort damit beschäftigt, nach den fehlenden Knochen und dem eigentlichen Tat- oder Unfallort zu suchen.“

„Sollte sich herausstellen, dass die Fensterklappe tatsächlich aus sibirischer Lärche gefertigt wurde, haben wir den Kollegen viel Arbeit erspart“, gab sich Schubert zuversichtlich. „Was zunächst zu beweisen wäre“, zeigte sich der Hauptkommissar bedeckt. „Abgesehen davon wird es bestimmt noch eine Weile dauern, bis sie all die Knochen beisammenhaben, die von den Tieren verschleppt wurden.“ „Der Fall ist komplexer, als ich dachte. Das schaffen wir zwei doch gar nicht“, stöhnte Schubert. „Die Staatsanwaltschaft sollte eine Soko ins Leben rufen.“ „Dazu ist es noch zu früh, aber deine Idee hat was.“

Sinner steuerte den Dienstwagen über den kurvenreichen Schotterweg bis zum Bohrplatz, an dem eine Erkundungsbohrung klären sollte, ob es an dieser Stelle möglich war, einen Schacht in die Tiefe zu bauen. Über diesem Weg sollten die in den achtziger Jahren im Bergwerk eingelagerten Atommüllfässer wieder zurückzuholen werden. Er fuhr an dem langen Zaun vorbei, der den Platz sichern sollte, weiter über den immer schlechter werdenden Waldweg, bis zu der Stelle, an der Manfred Junge den Leichnam seiner Tochter fand.

Spurensicherung und Hundeführer mit speziell ausgebildeten Leichenspürhunden durchkämmten das Waldgebiet. Unterdessen sichtete und ordnete der Leiter des Spusi die Fundstücke. Die Ermittler trafen im Zelt des Technischen Hilfswerks auf ihn.

„Hallo Herr Ramsauer, kommen Sie voran?“ „Ach, die Herrn Kommissare. Wie schön, dass Sie uns zur Hand gehen wollen“, feixte er. „Ganz im Gegenteil, wir bringen Ihnen noch Arbeit dazu.“ Schubert hielt ihm die Fensterklappe entgegen. „Das gute Stück stammt von einer Hütte, ganz hier in der Nähe. Vielleicht der Tatort“, bekräftigte er. „Sie wollen wissen, ob ihr Muster aus dem Holz der sibirischen Eiche ist?“, zählte Ruprecht Ramsauer eins und eins zusammen. Sinner nickte ihm zu. „Ich bin zwar kein Forstwirt, aber ich glaube eher nicht“, entgegnete er. „Ich werde das Holz trotzdem analysieren. Stellen Sie das Teil bitte da an die Seite.“

„Auf Grund des vorläufigen Obduktionsbefundes lässt sich laut Doktor Schnippler keine sichere Aussage zu den Umständen tätigen, die zum Tod der jungen Frau führten“, gab der Ermittler die Worte des Rechtsmediziners weiter. „Wie auch immer“, seufzte Ruprecht Ramsauer. „Fakt ist, dass sich die Tote nicht selbst beerdigte. So lange man uns lässt, werden wir hier weitersuchen.“ „Selbst wenn es ein Unfall war, muss es einen triftigen Grund geben, weshalb man das Opfer hier verscharrte und nicht die Polizei rief“, stellte der Hauptkommissar abschließend klar.

 

Fortsetzung vom 27.04.24

5

Der Herbst war in die Lessingstadt eingezogen. In seinem Gepäck hatte er alle negativen Fassetten des Wetters mitgebracht. Auch wenn sich der Wind einmal mehr stürmisch in den historischen Straßen der Fußgängerzone austobte, ließ ich mir den obligatorischen Cappuccino im Café Klatsch nicht nehmen. Die Baustelle war wieder ein Stück weitergewandert, befand sich inzwischen nahe der Seeliger Bank. Laut war es trotzdem, wenn die Presslufthammer den Untergrund aufbrachen und Baggerschaufeln ihren Inhalt donnernd auf die Ladeflächen des LKWs entleerten.

Ob der gewaltige Aufwand tatsächlich dazu beitragen konnte, die sterbende Fußgängerzone am Leben zu erhalten? In Zeiten, in denen das Geld im Portemonnaie immer knapper wird, wird auch der Geiz immer geiler. Wo sich Arbeit nicht mehr lohnt, verhält es sich mit der Bequemlichkeit nicht anders.

Die Wolfenbütteler Zeitung war jedenfalls voll mit Meldungen, die meine Meinung bestätigten. Meine volle Aufmerksamkeit zog jedoch ein Bericht auf sich, der von dem Leichenfund in der Asse berichtete. Man liest immer von Ereignissen, die an Orten geschehen, die sich weit weg von uns ereignen und reagieren daher oft achselzuckend, doch wenn sie vor der eigenen Haustür passieren, sind wir umso erschrockener. Mir geht es da nicht anders, aber aufgrund meiner jahrzehntelangen Erfahrung mit dem Verbrechen weiß ich, dass es überall zuschlagen kann.

Leid taten mir vor allem die Eltern der jungen Frau, deren Leben vor fünf Jahren auf bislang ungeklärte Weise endete. Sie waren all die Jahre im Unklaren, hofften und bangten, dass ihr Kind noch am Leben sei. Auch wenn sie jetzt Gewissheit hatten, mussten sie damit nun zurechtkommen. Der Gedanke, das eigene Kind, aus welchem Grund auch immer, zu verlieren, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Ein zweiter Cappuccino vertrieb die düsteren Gedanken und lud meine Akkus für den Tag. „Ich habe deine Kleine schon längere Zeit nicht mehr gesehen“, vernahm ich Annes Stimme. Mein Blick löste sich von der Zeitung. „Setz dich doch.“ „Na gut, einen Moment habe ich.“ „Ramona geht seit einigen Monaten auch nachmittags in den Hort.“ „Hattet ihr nicht ein Kindermädchen für sie?“, erinnerte sich Anne. „Tanja ist mit dem Studium fertig und mit der jungen Frau, die wir danach hatten, kam Ramona nicht klar.“ „Ja, die Chemie muss schon stimmen.“ „Du sagst es. Ramona selbst machte uns dann den Vorschlag, länger im Kindergarten zu bleiben.“ „Ein Zeichen, dass es ihr dort gut gefällt“, schlussfolgerte Anne.

Eine Bestellung an einem der Nebentische beendete unser Gespräch. Ich reichte ihr einen Zehner und bedeutete ihr, dass es so stimmte. Ein Blick zur Uhr trieb mich schließlich dazu, den Rest meines Cappuccinos auszutrinken und mich auf den Weg zu machen. Ein letzter Gruß an einige Stammgäste und die Caféhausmutti und der Teil des Tages begann, mit dem ich meine Brötchen verdiente.

An diesem Morgen führte mich die Arbeit in die Kanzlei Börner. Ich hatte einen Termin mit dem Onkel meiner Azubine. Christoph und ich hatten uns über die Jahre angefreundet. Jahre, in denen ich immer wieder kniffelige Fälle für seine Mandanten bearbeitete. Diesmal ging es um einen Fall von Missbrauch, für den das Opfer so gut wie keine Beweise hatte. Mehr wussten wir nicht und deshalb sollte ich bei dem Mandantengespräch dabei sein.

„Guten Tag, Frau Reuter. Ich hatte Ihnen ja von Herrn Lessing erzählt“, empfing der Rechtsanwalt die junge Frau in seinem Büro. „Ist es für Sie in Ordnung, wenn er bei unserem Gespräch dabei ist, um sich ein Bild zu machen?“ Die Mandantin nickte angeschlagen. „Hat sich die Polizei noch mal bei Ihnen gemeldet?“ „Die Polizei nicht, aber die Staatsanwaltschaft. Ich bekam ein Schreiben, in dem mir die Einstellung weiterer Ermittlungen mitgeteilt wurde.“ Sie reichte ihm das Schreiben.

„Tja, ich hatte Ihnen die Einstellung ja bereits vorhergesagt“, faltete Börner das Schreiben wieder zusammen, nachdem er den Inhalt kurz überflogen hatte und reichte ihn an mich weiter. „Die dürfen damit doch nicht einfach so davonkommen“, reagierte die junge Frau wütend. „Nach unserem ersten Gespräch habe ich mich umgehend mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung gesetzt und die Ermittlungsakte angefordert. Wie besprochen, habe ich Herrn Lessing daraufhin eine Kopie zukommen lassen. Da Sie sich erst einige Tage nach dem Missbrauch zu einer Anzeige entschließen konnten, gab es leider keine Möglichkeit mehr, die Vergewaltigung durch eine ärztliche Untersuchung nachzuweisen.“

„Liquid Ecstasy ist nur bis zu vierundzwanzig Stunden im Körper nachweisbar“, erklärte ich. „Nach allem, was Sie bei der Polizei angaben, gehe ich davon aus, dass Ihnen das Zeug während Ihres Besuchs im Magni-Treff heimlich ins Glas getan wurden.“ „Das glaube ich auch“, stimmte sie mir kopfnickend zu. „Von dem Zeitpunkt an kann ich mich nämlich an nichts mehr erinnern. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich hier in Wolfenbüttel, ganz in der Nähe meiner Wohnung auf einem Kinderspielplatz, hinter der Kirche. Ich hatte unsägliche Schmerzen und fühlte mich leer und ausgebrannt. Als ich Blut in meinem Slip sah, ahnte ich was geschehen war.

„Das ist allerdings ungewöhnlich“, sinnierte ich. „Normalerweise bringen Vergewaltiger ihre Opfer nicht nach Hause.“ „Das haben die bei der Polizei auch gesagt“, stutzte sie. „Glauben Sie mir etwa auch nicht?“ „Nun mal langsam mit den Pferden“, bremste ich sie. „Wenn Sie ehrlich sind, könnte es einige Erklärungen für die geschilderte Situation geben. Die wahrscheinlichste wäre ein Absturz im Bierhaus, weil Sie zu tief ins Glas geschaut haben. Sie könnten mit einem Taxi nach Hause gefahren und auf dem Spielplatz gestrandet sein.“ „Ich war noch nie so betrunken, dass ich mich nicht mehr an alles erinnern konnte“, wehrte sich die Klientin.

„Schlafwandeln Sie gelegentlich?“, stellte gottlob Christoph meine nächste Frage. „Sie könnten ebenso gut fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe“, reagierte die junge Frau wie von mir erwartet. Mein Freund sah unsere Mandantin durchdringend an. „Natürlich nicht! Ich dachte, Sie wären auf meiner Seite.“ „Das sind wir auch, aber bevor wir zusammen einen Weg beschreiten, der alles andere als einfach wird, müssen wir wissen, mit wem wir es zu tun haben.“ Ihr Gesicht entspannte sich. „Ja, ist ja schon gut. Seitdem mir das passierte, sind meine Nerven nicht mehr die besten. Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man etwas Schreckliches erlebt hat und niemand einem glauben will.“

„Ich glaube Ihnen“, bekannte ich mich zu Ihrer Geschichte. „Falls bei Ihnen der Eindruck entstand, dass wir Ihnen nicht vertrauen, tut es mir leid, aber um erfolgreich für Sie arbeiten zu können, sind all diese Fragen unabdingbar“, wiederholte sich Christoph. „Ihrer Schilderung der Ereignisse zu folge waren Sie allein im Magni-Treff. Ist das nicht etwas ungewöhnlich für eine junge Frau?“, erkundigte ich mich. „Ich bin nicht allein dort hingefahren“, überraschte sie mich ebenso wie den Rechtsanwalt. „Wir waren eigentlich zu dritt, doch Bella und Franzi verschwanden nach einer Weile mit zwei Typen. Da wollte ich natürlich nicht als fünftes Rad stören.“ „Das erklärt natürlich einiges“, resümierte ich.

„Also gut, wenn ich für Sie arbeite, bekomme ich fünfhundert Euro pro Tag zuzüglich Spesen.“ Nele Reuter schluckte einmal kurz trocken und stimmte mir dann kopfnickend zu. „Dann darf ich Sie bitten, für zwei Tage in Vorkasse zu treten. Das ist in meiner Branche allgemein üblich.“ „Wann fangen Sie mit Ihren Recherchen an?“ „Sobald Sie das Geld überwiesen haben“, erklärte ich, während ich ihr meine Visitenkarte reichte. „Meine Sekretärin teilt Ihnen die Bankverbindung mit.“ „Dann hoffe ich, dass Sie Ihr Geld wert sind.“ „Ich kann Ihnen keine Garantie geben, aber ich werde mein Möglichstes tun.“

 

Fortsetzung vom 04.05.24

6

„Mein geschiedener Mann hat mich angerufen“, erzählte Regina Schneider den Kommissaren. „Zum ersten Mal seit Marinas Verschwinden haben wir vernünftig miteinander gesprochen“, freute sie sich. „Ist es nicht verrückt, dass erst etwas Schlimmes geschehen muss, damit man wieder normal wird?“ „Was Sie ertragen mussten, sollte Eltern einfach nicht widerfahren“, zeigte der Hauptkommissar Mitgefühl. „Es deutet derzeit alles darauf hin, dass Ihre Tochter durch einen tragischen Unfall ums Leben kam“, erklärte er. „Um die Umstände, die dazu führten, aufklären zu können, würden wir uns jetzt gern mit Ihrer Erlaubnis Marinas Zimmer ansehen.“

„Ich habe alles so gelassen, wie es am Tag ihres Verschwindens war“, sagte sie den Beamten. Als sie ihnen die Tür öffnete, sahen sich die Ermittler ergriffen an. Auf dem Bett des toten Mädchens lagen etliche Schachteln, die in Geschenkpapier eingewickelt waren. Kleine Glückwunschkärtchen wiesen auf den jeweiligen Anlass hin. Die Männer hatten einen dicken Kloß im Hals, als sie die persönlichen Dinge der jungen Frau durchsahen. Während sich Schubert den Laptop vornahm, sah der Hauptkommissar in den Unterlagen nach, die sie für die Berufsschule gebraucht hatte.

„Kein Passwort“, stellte Schubert erleichtert fest. „Vielleicht findest du in den Mails die Namen Ihrer Freundinnen“, hoffte Sinner. „Sie war auf Facebook unterwegs.“ „Stimmt, damals waren Tiktok und Instagram noch nicht so populär“, erinnerte sich der Hauptkommissar.

„Zu Tessa Walther und Melissa Voigt hatte sie die meisten Kontakte“, analysierte Schubert. „Es gibt zahlreiche Kurzmitteilungen über den Messenger, in dem sich die Mädels hauptsächlich über irgendwelche Kerle austauschen. Bis wir dass alles ausgewertet haben, werden Tage vergehen.“ „So lange es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gibt, wird die Staatsanwaltschaft der Gründung einer Soko nicht zustimmen“, mutmaßte Sinner. „Ich finde, so etwas dürfte keine Frage des Geldes sein“, befand Schubert. „Ist es aber leider.“

„Sie hatten uns Marinas Schwierigkeiten mit dem Jugendamt verschwiegen“, konfrontierte Sinner die Mutter des Opfers, nachdem sie mit Marinas Zimmer fertig waren. „Seit sie in der Ausbildung war, hatte sie sich gefangen. Sie nahm keine Drogen und auch sonst gab es keine Probleme mehr.“ „Sind Ihnen die Namen Tessa Walther und Melissa Voigt bekannt?“ „Ja leider. Mit denen hatte sie sich vor ihrer Lehre oft herumgetrieben. Durch diese beiden kam sie auf Abwege. Gottlob brach sie dann den Kontakt vollständig ab.“

Die Kommissare ließen sie in dem Glauben, um es ihr nicht noch schwerer zu machen. „Wann kann ich mein Kind beerdigen?“ „Wir geben Ihnen so bald wie möglich Bescheid“, versprach Sinner. „Den Laptop Ihrer Tochter würden wir uns gern genauer ansehen. Sie bekommen ihn natürlich so schnell wie möglich zurück.“ „Das ist kein Problem, ich habe ihn all die Jahre nicht anrühren können. Bis ich mich dazu durchringen kann, wird es sicher noch eine Weile dauern.“

„Ich habe vorhin mit dem Vater von Melissa Voigt telefoniert“, informierte Schubert seinen Chef. „Ein merkwürdiger Typ. Nachdem er mir zunächst keine Auskunft zu seiner Tochter geben wollte, verriet er mir schließlich doch, dass sie in Halchter am TÜV als Bedienung in einem Bowlingcenter arbeitet.“ „Wieso hast du mir das nicht gleich erzählt?“, fühlte sich Sinner übergangen. „Ich dachte, du hättest mitbekommen, wie ich mit Frau Walther, der Mutter von Tessa Peters sprach.“ „Wie, mit der hast du auch schon telefoniert?“ Schubert sah seinen Kollegen verwundert an. „Kann es sein, dass du mit deinen Gedanken vorhin woanders warst?“

Der Hauptkommissar stieß einen tiefen Seufzer aus. „Meine Melanie wäre heute ungefähr in Marinas Alter.“ Schubert wusste, dass die Tochter seines Dienstpartners ertrunken war. Es war also kein Wunder, wenn er bei einem solchen Fall daran denken musste. „Klar, dass dich die Sache aufwühlt“, reagierte er mit Verständnis. „Tessa Walther heißt inzwischen Peters und arbeitet in Wolfenbüttel in der Apotheke am Schloss.“ „Dann sollten wir dort zuerst hinfahren“, schlug Sinner vor. „So dachte ich auch. Das Bowlingcenter macht sicherlich erst später auf.“

Nachdem die Kommissare eine ganze Weile vergeblich nach einem Parkplatz gesucht hatten, wurden sie schließlich in der ‚Sophienstraße‘ fündig, direkt vor dem ehemaligen Finanzamt. Kaum zu glauben, dass darin all das schneller erledigt wurde, wozu heute ein erheblich größeres Gebäude kaum ausreicht. Die Ambitionen, eine Steuererklärung so unkompliziert zu machen, dass sie auf einen Bierdeckel passt, war auch nur ein politisches Märchen.

„Guten Tag“, begrüßte der Hauptkommissar den Mann hinter dem Tresen. Zeitgleich hielt er dem Apotheker seinen Dienstausweis entgegen. „Wir würden gern mit Frau Peters sprechen.“ Eine Kundin beobachtete die Szene neugierig. „Einen Moment bitte, ich sage Frau Peters Bescheid.“ Der Mann verschwand in einem Hinterzimmer. „Warst du schon mal hier?“, nutzte Schubert die Zeit zum Smalltalk. „In der Apotheke nicht, aber oben beim Urologen.“ Die Kundin bekam lange Ohren.

„Sie wollten mich sprechen?“, erkundigte sich die Apothekenhelferin verwundert bei den Ermittlern. „Frau Peters?“, ließ sich Sinner bestätigen. „Ja, was kann ich für Sie tun?“ „Vielleicht sollten wir uns besser woanders unterhalten“, schlug Sinner vor. „Okay“, entgegnete sie gedehnt. „Nebenan ist das Foyer des Ärztehauses.“ Sie deutete auf eine Tür, die einen zweiten Zugang offenbarte. „Ja, da sind wir doch etwas ungestörter“, deutete der Hauptkommissar auf die immer noch interessiert zuhörende Kundin.

Nachdem sie in das Foyer gewechselt waren, folgte ihnen die wissensdurstige Dame und blieb nur wenige Meter von ihnen entfernt an einem Werbeaufsteller der Apotheke stehen. Schubert platzte der Kragen. Er ging zu ihr und zückte seinen Dienstausweis. „Dies ist eine Polizeiliche Befragung. Bitte gehen Sie weiter.“ „Nicht mal etwas Abwechslung wird einem hier gegönnt“, beschwerte sie sich, während sie extrem langsam davonschlich.

„So, nun werden wir hoffentlich nicht mehr gestört“, schüttelte Sinner den Kopf. „Vielleicht haben Sie ja schon davon gehört, dass vor einigen Tagen in der Asse der Leichnam einer Frau gefunden wurde“, eruierte der Hauptkommissar. „Nein.“ „Nun, es handelt sich um ihre Freundin Marina Schneider, geborene Junge.“ „Dann ist sie also doch nicht abgehauen“, schlussfolgerte Tessa Walther. „Wir dachten damals alle, sie sei mit einem Typen durchgebrannt.“

Sinner wurde hellhörig. „Sie hatte also einen Freund“, hakte er nach. „Na ja, Freund würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Marina nahm es da nicht so streng. Sie war mehr für Abwechslung.“ „Dann können Sie uns sicherlich einige Namen nennen.“ Schubert zückte sein Notizheft. „Das ist fünf Jahre her“, versuchte sich die junge Frau aus der Affäre zu ziehen. „Sie leiden doch wohl noch nicht an Hildesheimer, oder?“, ließ sich Schubert nicht für dumm verkaufen.

„Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass einer von ihnen Physiotherapeut in Braunschweig war. Aber dazu kann Ihnen Melissa sowieso mehr sagen. Die war Marinas beste Freundin.“ „Melissa Voigt?“ „Ja genau“, bestätigte Tessa. „Die waren ziemlich dicke.“ „Sie wurden damals ja bereits von unseren Kollegen zum Verschwinden ihrer Freundin befragt“, forderte der Hauptkommissar erneut das Erinnerungsvermögen der Befragten heraus. „Dabei gaben Sie an, an diesem Abend mit jemand anderem verabredet gewesen zu sein. Sie wissen sicherlich noch, mit wem“, suggerierte er. „Wollen Sie mein Alibi überprüfen?“ Schubert tippte lächelnd mit dem Stift auf sein Notizheft. „Ich war mit meinem jetzigen Mann, Gunther Peters, Melissa Voigt und dessen Freund im Kino verabredet.“ „Wie praktisch“, konnte sich der Ermittler eine gewisse Ironie nicht verkneifen.

„Sie werden das alles noch auf dem Kommissariat zu Protokoll geben müssen“, erklärte Schubert. „Am besten, Sie kommen an einem der nächsten Tage vorbei.“ „Ich darf Sie bitten, Melissa Voigt vorerst nichts von diesem Gespräch zu erzählen“, forderte sie Sinner auf. „Weshalb sollte ich? Ich habe nichts mehr mit ihr zu tun.“

„Ich fürchte die Überprüfung ihres Alibis können wir uns schenken“, sinnierte Sinner auf dem Weg zurück zum Dienstwagen. „Ihr Ehemann wird ihre Angaben sicherlich auch dann bestätigen, wenn sie damals nicht mit ihm verabredet war.“ „Kann schon sein. Dann also auf ins Bowlingcenter“, seufzte Schubert. „Du fährst!“, kehrte Sinner zur Tradition zurück. „Auf dem Beifahrersitz kann man ja auch viel besser nachdenken, nicht wahr?“

Nachdem das Bowlingcenter vom Kino an der ‚Halchtersche Straße‘ zum TÜV umgezogen war, war keiner der Kommissare dort gewesen. Daher mussten sie sich zunächst orientieren.

„Wenn ich daran denke, wie oft wir uns früher mit den Kollegen zum Bowling verabredeten, frage ich mich, weshalb das in den letzten Jahren so einschlief“, fragte sich Schubert. „Ich glaube die Pandemie hat vieles kaputt gemacht“, entgegnete sein Chef. „Erst wurden alle sozialen Kontakte einschränkt und danach hatten sich die Leute daran gewöhnt.“ „Abgesehen davon ist es aber auch sündhaft teuer geworden“, nannte Schubert einen weiteren Grund. „Stimmt“, pflichtete ihm Sinner bei.

„Hier ist ja noch gar nichts los“, staunte Schubert, als sie das Center betraten. Einzig die Bedienung hinter dem Tresen füllte den großen Raum mit ihrer Anwesenheit. „Hallo!“, rief ihnen die bis zum Hals tätowierte Servicekraft entgegen. „Sind Sie Melissa Voigt?“ Sie sah die Männer schief an. „Wer will´n das wissen?“, entgegnete sie lauernd. Die Kommissare hielten ihr ihre Dienstausweise entgegen.“ „Kenn ich nich!“ „Da frage ich mich natürlich, wie sie auf ein Foto mit Marina Schneider kommen“, bluffte Sinner.

„Ist Marina wieder aufgetaucht?“, ließ sie das Glas in ihren Händen sinken. „Wenn Sie nicht Melissa Voigt sind, geht Sie das ja nichts an, oder?“ „Okay Mann, Sie haben gewonnen. Ich bin Melissa.“ „Ja, sie ist wieder aufgetaucht“, griff der Ermittler ihre Worte auf. „So könnte man es zumindest ausdrücken. Ihre Freundin wurde im Assewald gefunden.“ „Wie jetzt? Die Tote ist Marina?“, wiederholte sie entsetzt. „Sie haben also von dem Leichenfund gehört.“ „Ja klar, ich wohne in Wittmar, da gibt es quasi kein anderes Thema.“

„Wie war das damals“, erkundigte sich Schubert. „Weshalb begleitete Sie Marina nicht ins Kino?“ „Sie hatte keinen Bock auf den Film und einen Typen hatte sie zu der Zeit auch nicht am Start. Tessa und ich waren mit unseren Freunden dort. Da wollte sie wahrscheinlich nicht stören.“ „Wir sprachen bereits mit Frau Peters“, erklärte Sinner. „Dann wissen Sie ja schon, dass sie inzwischen mit genau dem Mann verheiratet ist.“ „Wissen wir“, entgegnete der Hauptkommissar. „...und wie hieß Ihr damaliger Freund?“

Melissa dachte angespannt nach. „Ich war nicht wirklich mit ihm zusammen, müssen Sie wissen.“ „Er war also nur der Typ, der die Kinokarten bezahlte“, brachte es Schubert auf den Punkt. „So, wie Sie das jetzt sagen, war es auch nicht“, fühlte sich die junge Frau vorgeführt. „Er heißt Timo und sein Nachname lautet Pfeffer.“ Schubert machte sich Notizen. „So wie der Pfeffer?“ „Genau.“ „Weshalb wollten Sie uns den Namen Ihres Begleiters nicht gleich sagen?“, gab sich der Hauptkommissar nicht zufrieden. „Weil ich ihm keine unnützen Scherereien machen wollte.“ „Ich verstehe, in Ihren Augen sind unsere Ermittlungen also die Mühe nicht wert.“

„Habt Ihr auf der Bullenschule gelernt, wie ihr den Leuten die Worte im Mund herumdreht?“, kehrte sie zu der aggressiven Art zurück, die sie bereits zu Beginn des Gesprächs zu Tage legte. „Außerdem brauchen Sie doch nur in den alten Akten nachlesen. Ihre Kollegen haben uns doch damals auch schon dazu befragt.“ „Die Unterlagen sind leider nicht mehr vollständig“, räumte Sinner ein. „Dann würde ich mal darüber nachdenken, was in Ihrem Verein falsch läuft und nun habe ich zu tun.“

„Ich darf Sie bitten, alles im Kommissariat an der ‚Lindener Straße‘ zu Protokoll zu geben“, forderte Schubert sie auf. „Am besten gleich morgen früh.“ „Da schlafe ich!“, reagierte Melissa zunehmend aggressiver. „Dann wird Ihnen wohl nichts anderes übrigbleiben, als ihren Schönheitsschlaf etwas zu verkürzen“, lächelte der Kommissar süffisant.

 

Fortsetzung vom 11.05.24

7

„Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo ich mit meinen Ermittlungen ansetzen soll“, gab ich unumwunden zu, als Nele Reuter die Kanzlei meines Freundes verlassen hatte. „Abgesehen von diesen beiden Freundinnen, die sie im Bierhaus allein zurückließen und den ungefähren Zeitpunkt, in dem ihr jemand die Tropfen in das Getränk tat, gibt es nichts.“ „Ich habe dir doch mit der Akte auch ein Foto von ihr zugesandt“, erinnerte mich Christoph. „Meinst du dieses?“, hielt ich ihm mein Smartphone entgegen. „Wie ich sehe, konntest du meiner Idee folgen.“ Ich stutzte. „Willst du mir jetzt meinen Job erklären?“ „Ich äh, sei doch nicht gleich so empfindlich.“ „Alles gut“, winkte ich ab, um aus dem Ganzen nicht mehr zu machen, als es eigentlich war.

„Wahrscheinlich habe ich momentan nur eine zu kurze Zündschnur, weil Trude immer häufiger über ihr Leben als Rentnerin spricht. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich sie ersetzen soll.“ „Tja mein Freund, du wirst wohl einsehen müssen, dass sich deine Trude nicht ersetzen lässt. Andererseits kann ich mir eine zur Untätigkeit verurteilte Trude nicht vorstellen. Du solltest ihr ein Teilzeitangebot machen und einen Teil ihrer Aufgaben an Leonie übertragen.“ Ich rieb mir nachdenklich den Nacken. „Ein Versuch wäre es wert.“

Die Worte meines Freundes gingen mir noch durch den Kopf, als ich die Detektei erreicht hatte. Es gibt Gespräche, die man immer wieder aufschiebt, weil man nicht so recht weiß, wie man sie führen soll. Leider gehöre ich auch zu den Menschen, die sich damit schwertun. Da halfen die Worte meines Freundes eher weniger. „Guten Morgen, mein lieber Chef“, begrüßte mich meine Putzsekretärin. „Wie war der Cappuccino?“ „So lecker wie immer“, entgegnete ich mich skeptisch fragend, was da schon wieder im Busche war. „Ich komme gerade von Rechtsanwalt Börner mit einem neuen Fall im Gepäck.“ „Das ist gut, ich hatte schon die Befürchtung, Kurzarbeit beantragen zu müssen.“

Ich stutzte, ahnte sie etwas oder hatte Christoph in der Zwischenzeit bei ihr angerufen? „Wenn Sie irgendwann etwas kürzertreten wollen, können wir gern darüber reden“, versuchte ich eine Brücke zu bauen. „Bis jetzt komme ich noch klar, oder haben Sie Grund zur Klage?“, entgegnete sie pikiert. „Nein, nein, natürlich nicht“, ruderte ich zurück. „Alles tippi toppi.“ Trudes Blicke trafen mich wie die Halogenscheinwerfer eines herannahenden Güterzugs. „Die Klientin wird sich sicherlich noch heute wegen der Bankverbindung bei Ihnen melden.“

Mit diesen Worten verzog ich mich in mein Büro. Vor 20 Uhr brauchte ich im Magni-Treff gar nicht erst aufschlagen, da es bis dahin geschlossen war. Ich kannte den Inhaber noch aus meiner Zeit als Hauptkommissar der Braunschweiger Kripo und war daher gespannt, ob er sich an mich erinnern würde. Ausgerechnet als ich mit meinen Gedanken in den guten alten Zeiten schwelgte, riss Leonie die Bürotür auf.

„Wir haben einen neuen Fall?“ „Wann wirst du das mit dem Anklopfen endlich kapieren?“ „Sorry Chef, aber Trude sagt, es geht um Vergewaltigung. Stimmt das?“ Ich fragte mich, woher sie das schon wieder wusste. Hatte Christoph sie am Ende doch angerufen oder war ich inzwischen schon so senil, dass ich mich nicht mal mehr an meine eigenen Worte erinnern konnte? „Ja, unsere Klientin wurde allem Anschein nach Opfer eines Missbrauchs unter dem Einfluss von Liquid Ecstasy“, bestätigte ich. „Leider gibt es keinerlei Beweise für die Straftat, weshalb die Polizei erst gar keine Ermittlungen aufgenommen hat.“

Leonie reagierte empört. „Die können doch nicht einfach so tun, als habe sich die Frau das nur ausgedacht!“ „Alles, was wir haben, ist ein Foto unserer Klientin und die Namen der Freundinnen, mit denen sie im Magni-Treff war“, klärte ich sie über die mageren Ansatzpunkte auf. „Was ist mit diesen Freundinnen?“, hakte sie nach. „Die sind mit zwei Typen abgezogen.“ „...und haben unsere Klientin dort allein sitzen lassen?“, konnte sie es kaum glauben. „Genau so sieht es aus“, bestätigte ich.

„Ich werde heute Abend zum Magni-Treff fahren, um mich dort umzuhören.“ „Ich bin dabei“, bot sie sich spontan an. „Ich kenne da ein paar Leute.“ „Gut, aber dann machst du jetzt erst einmal Pause, um dich für heute Abend schick zu machen“, meinte ich es gut. „So weit kommt es noch. So Aufgehübscht würden die mich gar nicht erkennen. Außerdem bin ich beruflich dort.“ Mit meiner Azubine hatte ich neben Trude einen weiteren Volltreffer gelandet. Sie passte in meine Detektei wie ein Dackel in einen Fuchsbau.

Als ich Leonie gegen 20:30 Uhr zuhause abholte, hatten Trude und ich uns bereits über unsere Klientin und ihre vermeintlichen Freundinnen in den sozialen Medien informiert. Wahrscheinlich bin ich für heutige Verhältnisse eher prüde, aber was heutzutage im Kopf von so manchem jungen Menschen vor sich geht, ist mir schleierhaft. Das Internet verzeiht nie. Fotos fröhlich Feiernder in peinlichsten Szenen verfolgen einen das ganze Leben lang. Für den, der danach sucht, können sie aufschlussreich sein und mehr verraten, als das, was zum Beispiel ein Bewerber auf eine Stellung offenbaren möchte. So geben diese Fotos tiefe Einblicke über den Umgang mit dem Liebesleben und dem sozialen Miteinander.

Bei den drei Mädels war es nicht anders. Das Erschreckende daran war jedoch, was sie frei in den Netzwerken gepostet hatten und somit für jedermann sichtbar war. Jeder, der diese Fotos sah, musste in dem Glauben sein, dass unsere Klientin für jeden zu haben war. Natürlich änderte das alles nichts daran, dass man sich nicht nehmen kann, was man will und schon gar nicht mittels Drogen oder Gewalt, aber es senkt die Hemmschwelle der Täter. Ich fragte mich, wie ich reagieren würde, wenn Ramona in das Alter kam.

Der Magni-Treff befand sich in einem historischen Backsteingebäude am ‚Magnitor‘. Ich verband einen bunten Blumenstrauß voller Erinnerungen mit der Kneipe. Eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte. Damals noch unverheiratet und ein Hans Dampf in allen Gassen. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was Miriam heute an mir schätzt. Jede Zeit hat halt ihre Höhen und Tiefen. Wo ich früher durchfeierte, war es obligatorisch, dass ich Miriam Bescheid sagte, wenn es abends später wurde.

Es war noch nicht mal halb zehn, was bedeutete, dass der Laden noch nicht voll war. Zumindest war aber schon das erste Obergeschoss geöffnet. Viel hatte sich in all den Jahren nicht geändert, aber dort, wo früher offenes Kerzenlicht flackerte, war das Flackern heute elektrisch. Eigentlich ein Wunder, dass das von Holz durchzogene Gebäude nie brannte.

Wir setzten uns an die Bar und ließen unsere Blicke wandern. „Hallo ihr zwei“, begrüßte uns einer der Barkeeper. „Was darf ich euch bringen?“ „Wir fangen mit einem Radler an“, entgegnete ich, ohne Leonie zu fragen. Als Arbeitgeber hat man ja schließlich Verantwortung und außerdem war das Getränk nicht so teuer wie die anderen. „Geht das hier nicht auf Spesen?“, schien meine Azubine desillusioniert. „Ja schon, aber wir sind ja nicht zum Feiern hier.“ „Aber man muss ja auch nicht immer so kniepig sein“, sagte sie, was sie dachte.

Als die Bedienung mit unserer Bestellung zurückkehrte, hielt ich ihm mein Handy mit dem Foto unserer Klientin entgegen. „Die muss vor exakt einem Monat hier gewesen sein. Zunächst mit diesen beiden Mädels.“ Ich rief die Fotos von Bella Blanke und Franzi Sturm auf. „Wissen Sie, was hier abends los ist?“ Ich sah mich betont nach allen Seiten um, dann legte ich einen Zwanziger unter das Handy und zeigte ihm die Fotos erneut. Vielleicht können Sie sich ja jetzt erinnern.“ „Ja, kann vielleicht sein“, zeigte er sich auch jetzt noch reichlich wortkarg. Also schob ich noch einen Zwanziger nach.

„Hören Sie, ich will keinen Ärger haben.“ „Der jungen Frau wurde übel mitgespielt“, schaltete sich Leonie in das Gespräch ein. „Sie leidet sehr unter den Folgen. Es würde ihr helfen, wenn sie wüsste, wer ihr das angetan hat“, setzte sie den Barkeeper emotional unter Druck. Der verdrehte die Augen, nahm das Geld und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden. „Die drei waren hier, hatten echt Spaß und waren nicht abgeneigt, als sich zwei Typen zu ihnen setzten.“ Er stockte. „Es war wirklich voll an diesem Abend. Ich kann Ihnen bei bestem Willen nicht mehr sagen, wann die beiden anderen Mädchen bei meinem Kollegen bezahlten und mit den zwei Typen verschwanden.“ Womit er sich von uns abwandte und zunächst andere Gäste bediente.

„Okay, das ist jetzt auch nicht so wichtig“, setzte ich nach, als er zu uns zurückkehrte. „Aber was können Sie uns zu der verbliebenen Frau sagen?“, „Irgendwann saß ein Typ bei ihr, den ich hier bislang noch nie gesehen habe.“ „Können Sie ihn beschreiben?“ „Recht schlank, groß und Glatze“, erinnerte er sich. „Alter?“ „Beim Schätzen bin ich nicht so gut, aber ich würde sagen, so Ende zwanzig bis Anfang dreißig.“ „Fiel Ihnen etwas Besonderes an ihm auf“, setzte Leonie nach. „Vielleicht ein Ohrring, ein Tattoo oder eine Narbe?“

Der Mann hinter dem Tresen dachte angespannt nach. „Jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein, dass der Typ auf dem rechten Unterarm mehrere Dreiecke in unterschiedlicher Größe gestochen hatte. Ich fand es interessant, weil sie durch einen Pfeil miteinander verbunden waren.“ Er schob die Hemdsärmel hoch und zeigte uns seine Tattoos. „Da ist noch Platz“, deutete er auf eine freie Stelle. „Deshalb habe ich mich im Internet danach umgesehen.“ Er zückte sein Smartphone und zeigte uns ein Bild von dem Tattoo.

„Sieht echt stark aus“, begeisterte sich Leonie. „Bei dem Typ zeigten die Spitzen der Dreiecke nach oben.“ „Ist das von Bedeutung?“, fragte ich nach. Meine Azubine sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. „Sorry, Tattoos sind nicht so meins.“ „Da gibt es feine Unterschiede“, verriet der Barkeeper. „Aber was genau kann ich euch auch nicht sagen.“ „Kannst du mir das Bild von dem Tattoo auf mein Handy schicken?“ Die beiden tauschten ihre Telefonnummern aus, was sicherlich nicht ausschließlich wegen des Bildes geschah.

„Was ist mit dem Gesicht von dem Mann?“, hakte ich nach. „Also er hatte zumindest keinen Bart und trug auch keine Brille. Mehr kann ich leider nicht dazu sagen. Gesichter kann ich mir gar nicht merken.“ „Glaubst du, du würdest den Mann auf einem Foto wiedererkennen?“, nahm mir Leonie die Worte aus dem Mund. Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Kommt aufn Versuch an.“ „Ich nehme dich beim Wort, Zlatko“, zwinkerte Leonie ihm zu. Die beiden Zwanziger waren offenbar gut angelegt. Ich fragte mich nur, woher sie seinen Namen wusste.

 

Ende der Leseprobe

 

Sobald das fertige Manuskript lektoriert wurde, geht es als eBook Leseprobe in den Downloadbereich.

Kurz darauf ist es dann auch als Taschenbuch zu erwerben.

 

An dieser Stelle finden Sie nach und nach wieder drei Fragen zum aktuellen Werkstattroman.

Die Antworten bitte bis zum 31.05.24 an Uwe.brackmann59@gmail.com absenden.

 

1. Was bekommen Besucher am Tor der Schachtanlage-Asse?

2. Welchen Beruf übt der Vater von Kommissar Schubert aus?

3. Wo wurde Nele Reuter abgelegt?

 

Hier noch einmal die Spielregeln.

Mit jeder Buchvorstellung, also noch bevor das Buch in den Druck bzw. in den Downloadbereich wechselt, stelle ich an dieser Stelle drei Fragen aus dem Werkstattbuch, die Sie in einer Mail an mich richtig beantworten sollten. Der Einsender jeder zehnten richtigen Mail erhält ein handsigniertes Taschenbuch aus meiner Kollektion. Aber auch die übrigen Mitspieler gehen nicht leer aus. Sofern sie mir die richtigen Lösungen zugemailt haben erhalten sie jeweiles ein E Book zugesandt.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Solange das Buch in der Werkstatt steht, können Sie sich am Gewinnspiel beteiligen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich mich sehr über die rege Teilnahme und die vielen Mails freue, die bei früheren Gewinnspielen bei mir eingegangen sind.

 

Haben Sie die vorangegangenen Kapitel aufmerksam gelesen? Dann könen Sie die Fragen sicher beantworten. Wenn Sie glauben, alle drei Fragen richtig beantworten zu können, mailen Sie die richtigen Antworten an: uwe_brackmann@uwe-brackmann.de

Bis dahin: Ihr Uwe Brackmann

 

Der 50. Roman aus der

Detektei Lessing

"Leo in Angst "

 

ist ab 06.04.24 im regionalen Buchhandel und auf Bestellung unter "Kontakt",

dann auch gern als Geschenk mit Signatur zu bestellen. Im Downloadbereich, kann er als 4 Kapitel umfassende Leseprobe heruntergeladen werden kann. Das komplette E-Book ist dann für 2,99 € in einer Mail an "Autor-Brackmann@htp.com" zu bestellen.

 

Die ersten 49 Fälle aus der Detektei Lessing sind ebenso im Downloadbereich für je 2,99€ als E-Book zu bestellen.

 

 

Wolfenbütteler 'Buchhandlung Behr' Kornmarkt

Wolfenbütteler 'Buchhandlung Steuber' Am alten Tore

Melveroder Buch und Schreibwarenhandel im Einkaufszentrum

in Vorsfelde in der Buchhandlung Sopper, Lange Str. 17

im Hornburger Toto Lotto Laden 'Cafè Clemens'

in der Bücherheimat in Bad Harzburg

im 'Café T Asse' Mönchevahlberg Schulstr. 5

zu erhalten

 

Mein Dank gilt in besonderer Weise, Frau Viola Dowhanycz und Herrn Jürgen Nieber, die meine Manuskripte aus reinem Idealismus lektorieren. Mit im Team sind die Maler Robert Tschöp, Helena Ahrens, Charlotte Matzeit und Rüdiger Franz die mit ihren Bildern maßgeblich die Einbände zur Detektei Lessing mitgestalten. Überdies mit dabei, der Bremer Fotograf Andreas Eberl, der dem letzten Mike Winter Krimi mit seinem Foto ein Supereinband gab. Den Link zu seiner Argentur findet ihr übrigens auf dieser Website.